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Zustand und Ausbau 2024

Auslastung und Betrieb des Verteilernetzes

27.08.2025 – Die Verteilnetzbetreiber haben der Bundesnetzagentur einen Bericht zu ihren Netzausbauplänen (NAPs) vorgelegt. Im Rahmen der Netzausbaupläne wurde von den Verteilernetzbetreibern nicht nur über die bedarfsgerechten Netzausbaumaßnahmen berichtet, sondern auch Informationen zu den angewendeten Gleichzeitigkeiten, der Auslastung der Netze, der Anwendung der Spitzenkappung und dem Blindleistungsmanagement an die Bundesnetzagentur übermittelt. Die Auswertungen zeigen, wie heterogen die Verteilernetzlandschaft technisch aufgestellt ist, aber auch, dass die Verteilernetzbetreiber zunehmend auf moderne Betriebsmittel setzen.

Das Verteilernetz erstreckt sich von der Netzebene der Hochspannung bis hin zur untersten Netzebene, der Niederspannung. Es ist bei den folgenden Darstellungen daher zu beachten, dass nicht alle der befragten Verteilnetzbetreiber auch jede dieser Netzebenen betreibt. Eine Übersicht über die Anzahl der Verteilernetzbetreiber je Netzebene gibt die nachfolgende Abbildung.

Annahmen für die Netzplanung

Grundsätzlich ist von einem Leistungsanstieg in den Verteilernetzen auszugehen. Um diesem erwarteten Leistungsanstieg gerecht zu werden, ist eine vorausschauende Netzplanung auf allen Spannungsebenen erforderlich. Für diese Planung ist der Einhalt des gesetzlich vorgegebenen Spannungsbands und die richtige Bemessung der Stromtragfähigkeit von Kabeln und Leitungen essentiell. Hilfestellungen und Vorgaben werden in den entsprechenden DIN-Normen bereitgestellt. Die Netzplanung orientiert sich üblicherweise an den dort niedergelegten Planungsvorgaben. Bei der Planung von Stromnetzen wird insbesondere in der Niederspannung berücksichtigt, dass Verbraucher in Wohngebäuden nicht gleichzeitig die maximal mögliche Leistung beziehen. Die Verteilernetzbetreiber berücksichtigen bei Anschlussbegehren daher einen planerischen, gleichzeitigen Leistungsbedarf. Zentral für die Netzdimensionierung sind die Gleichzeitigkeitsfaktoren.

Dies bedeutet, dass vom absoluten Leistungsbedarf ausgehend, der tatsächlich auftretende maximale Leistungsbedarf mittels eines Faktors zwischen 0 und 1 (0 und 100 Prozent) abgeschätzt wird. Da die Annahmen für ein neu anzuschließendes Ein- oder Mehrfamilienhaus je Verteilernetzbetreiber abweichen, wurden im Rahmen der Abfrage zu den Netzausbauberichten durch die Bundesnetzagentur Musterfälle definiert, die eine Vergleichbarkeit und Berücksichtigung von Ladeeinrichtungen und Wärmepumpen schaffen soll.

Musterfälle der Kapazitätsplanung bei Anschlussbegehren

Gebäude

Annahme Wärmepumpe

Annahme Ladeeinrichtung

Musterfall 1

EFH

-

-

Musterfall 2

EFH

4,00 kW

-

Musterfall 3

EFH

-

11,00 kW

Musterfall 4

EFH

4,00 kW

11,00 kW

Musterfall 5

MFH (5 WE)

-

-

Musterfall 6

MFH (5 WE)

-

5 mal 11 kW

Einfamilienhaus (EFH), Mehrfamilienhaus (MFH), Wohneinheiten (WE)

Die Musterfälle 1 bis 4 stellen die verschiedenen Kombinationsmöglichkeiten von Wärmepumpe und Ladeeinrichtung in der Anschlussplanung eines Einfamilienhauses dar. Der Anschluss eines Einfamilienhauses ohne steuerbare Verbrauchsanlagen wird im Durchschnitt für die Netzplanung mit einer Leistung von 4,86 kW berücksichtigt. Ein Einfamilienhaus mit Wärmepumpe (4kW) wird im Vergleich dazu mit einem um 2,71 kW (Faktor 0,68) höherem Leistungsbedarf eingeplant. Ein Einfamilienhaus mit Ladeinrichtung (11kW) wird im Vergleich zu einem Einfamilienhaus ohne steuerbare Verbraucher mit einem um 4,74 kW (Faktor 0,43) höherem Leistungsbedarf eingeplant. Für ein Einfamilienhaus mit Wärmepumpe (4kW) und Ladeeinrichtung (11kW) erhöht sich der angenommene Leistungsbedarf durchschnittlich um 7,86 kW.

In den Musterfällen 5 und 6 geht es jeweils um die planerischen Leistungsbedarfe eines Mehrfamilienhauses mit fünf Wohneinheiten. Ohne Wärmepumpe und Ladeeinrichtungen geht dieses im Durchschnitt mit einem Leistungsbedarf von 12,28 kW in die Netzplanung ein. Die Planung eines Mehrfamilienhauses mit fünf Ladeinrichtungen je 11 kW erhöht den planerischen gleichzeitigen Leistungsbedarf im Vergleich dazu um 14,4 kW. Für die fünf Ladeeinrichtungen entspricht dies einem Gleichzeitigkeitsfaktor von 0,26. Die durch die Netzbetreiber durchschnittlich angenommene Gleichzeitigkeit ist also geringer als im Fall des Einfamilienhauses mit Ladeeinrichtung, da die Wahrscheinlichkeit für gleichzeitige Leistungsbedarfe bei steigender Anzahl der Verbrauchsanlagen sinkt.

Im Vergleich zur letzten Abfrage ist im Schnitt ein leichter Anstieg der Gleichzeitigkeitsfaktoren zu erkennen. Die VNB planen also offenbar mit einer höheren Gleichzeitigkeit der von den Kunden genutzten Leistung als zwei Jahre zuvor. Es ist aber darauf hinzuweisen, dass auch einige VNB Planwerte reduziert haben.

Dass in der Netzplanung im Schnitt für Wärmepumpen höhere Gleichzeitigkeitsfaktoren als für Ladeeinrichtung angenommen werden, liegt daran, dass bei niedrigen Temperaturen die Heizungen entsprechend gleichzeitig laufen. Der Gleichzeitigkeitsfaktor für beide Verbrauchseinrichtungen kombiniert entspricht nahezu der Summe der einzelnen Faktoren. Es werden also durch die VNB hier keine besonderen Wechselwirkungen gesehen bzw. angewandt. Hinsichtlich der Verteilung der Planungsannahmen zeigen die Daten, dass die Heterogenität bei den Annahmen größer ist, je höher die angeschlossene Leistung ist.

Planungsinstrument Spitzenkappung

Auf der Erzeugungsseite können die Verteilernetzbetreiber mit der sogenannten Spitzenkappung ein netzplanerisches Instrument anwenden, um so die Erzeugungsleistung nicht in vollem Umfang für den Netzausbau berücksichtigen zu müssen. Setzt ein Verteilernetzbetreiber das Instrument der Spitzenkappung ein, bedeutet dies vereinfacht dargestellt, dass er im Rahmen seiner Netzplanung die Spitzen der prognostizierten Einspeisung von Windkraft- und PV-Anlagen gewissermaßen kappen darf. Dies folgt der Logik, dass ein Netzausbau für seltene Extremfälle ineffizient ist. Die Anwendung der Spitzenkappung ist nur bis zu einer Grenze von nicht mehr als insgesamt 3 Prozent der prognostizierten jährlichen Stromerzeugung je unmittelbar an das Netz angeschlossener Anlage zulässig. Zum Zwecke der Netzplanung geht der Netzbetreiber folglich davon aus, dass die entsprechenden Anlagen zu bestimmten Zeiten abgeregelt werden können und das Netz daher nicht für die maximale Belastung ausgebaut werden muss.

Von den 82 Verteilernetzbetreibern haben 6 Verteilernetzbetreiber Spitzenkappung bei der Netzplanung angewendet. Insofern ist die Anwendung der Spitzenkappung weiterhin nur wenig verbreitet. Zudem ist festzustellen, dass die Dimension der Anwendung von Spitzenkappung stark variiert. Manche Netzbetreiber wenden das Instrument in einzelnen kleinen Teilnetzgebieten an, andere nutzen es flächendeckendend, jedoch zu einem geringeren Prozentsatz als 3 Prozent. Gemeinsam gaben die 6 Verteilernetzbetreiber, die Spitzenkappung eingesetzt haben an, dass es sich größtenteils um ländliche Flächennetzstrukturen handelt, welche eine hohe EE-Erzeugungsdurchdringung aufweisen.

Bessere Auslastung der Bestandsnetze

Um die Auslastung der Bestandsnetze besser „im Blick“ zu haben, führen 36 der 82 Verteilernetzbetreiber mindestens täglich – weitere 6 Verteilernetzbetreiber mindestens wöchentlich – Netzauslastungsprognosen durch. Ziel der Verteilernetzbetreiber ist, ihr Verteilernetz optimal auszunutzen. Dies hat im Wesentlichen drei Gründe: Eine Minimierung von Netzverlusten, weniger Kosten für die Vorhaltung von Reservekapazitäten sowie die Verbesserung der Versorgungssicherheit. Daher setzen Verteilernetzbetreiber verschiedene technische Maßnahmen ein, um die Auslastung des Netzes zu optimieren. Hierbei handelt es sich um Instrumente wie Freileitungsmonitoring, Strangregler, technisch erweiterte Ortsnetzstationen und Blindleistungsmanagement.

Das Freileitungsmonitoring ist ein Instrument der Hochspannungsebene. Bei diesem Regelungsverfahren wird unter anderem die Leiterseiltemperatur gemessen und anhand dieser wird die Leiterlast witterungsabhängig geregelt. Beispielsweise lassen sich Freileitungen bei kalten Temperaturen etwas höher belasten als üblich. Derzeit setzen lediglich fünf Verteilernetzbetreiber ein Freileitungsmonitoring flächendeckend in ihrem gesamten Hochspannungsnetz ein.

Viele der befragten Verteilernetzbetreiber setzen verbesserte Ortsnetztransformatoren oder -stationen ein. Hierzu zählen regelbare Ortsnetztransformatoren (rONT) und intelligente Ortsnetzstationen (iONS). Bei einem rONT wurde der Transformator einer Ortsnetzstation mit einer Laststufenschaltung ausgestattet, die eine automatische dezentrale Spannungsregulierung oder Regelung über die Leitstelle erlaubt. Die iONS gehen in ihren Funktionen weiter – sie sind ein wichtiger Bestandteil, um die Verteilernetze zu digitalisieren und z.B. intelligente Automatisierungen in die Netze zu integrieren. Eine iONS erfasst laufend Auslastungsdaten und kann je nach Ausstattung neben der Spannungsregelung auch für Energiemanagement, Flexibilitätssteuerung und Prognosefunktionen Anwendung finden. Des Weiteren kann eine Steuerung einzelner Stränge in die iONS integriert werden. Daher sind iONS nicht ohne Grund das von den befragten Verteilernetzbetreibern mit Abstand das am häufigsten eingesetzte Instrument zur Netzoptimierung. 43 der befragten Verteilernetzbetreiber setzen bereits in Summe 14.902 iONS ein (Stand Dezember 2023). Bei weiteren 16 Verteilernetzbetreibern befindet sich der Einsatz von iONS im Aufbau. Von den gemeldeten 14.902 iONS wurden 3.508 im Jahr 2023 in Betrieb genommen. Dies ist beinahe so viel, wie es laut der befragten Verteilernetzbetreiber an betriebenen rONTs insgesamt gibt (4.048 rONT im Betrieb, Stand Dezember 2023).

Ein geringerer Teil der Netzbetreiber nutzt anstelle von rONT Strangregler. Da an einer Ortsnetzstation in der Regel die abgehenden Stränge in ihrer Auslastung, Kabellänge oder Leitungsimpedanz häufig nicht homogen sind, ist es sinnvoll, jeden Strang separat steuern zu können.

Blindleistung

Blindleistung wird auch in Zukunft ein bedeutendes Thema für die Verteilernetze sein. In der aktuellen Netzsituation regulieren die Verteilernetzbetreiber ihren Blindleistungsbedarf lokal über eigene Netzbetriebsmittel oder die zur Mithilfe verpflichteten Erzeugungsanlagen. Knapp über die Hälfte der befragten Verteilernetzbetreiber setzen Spannungs-/ Blindleistungsmanagement ein oder bauen deren Einsatz gerade auf. 14 Verteilernetzbetreiber planen, dieses Instrument einzusetzen. Reicht dies nicht aus, erfolgt ein Ausgleich über die vorgelagerte Netzebene.

Eine marktliche Beschaffung von Blindleistung, hat die Bundesnetzagentur mit der Festlegung BK6-23-072 vom 25.06.2024 ausgestaltet. Die Festlegung verpflichtet die Betreiber von Übertragungsnetzen und von Verteilernetzen der Hochspannung zu einer marktgestützten Beschaffung von Blindleistung. Die Verpflichtung greift, sofern sie einen Bedarf an Blindleistung in ihrem Netz haben, der nicht durch bereits vorhandene eigene Netzbetriebsmittel oder über die nach den Technischen Anschlussregeln verpflichtend zu erbringenden Blindleistungsbeiträge der angeschlossenen Erzeugungsanlagen gedeckt wird. Für die Betreiber von Verteilernetzen der übrigen Spannungsebenen besteht eine Ausnahme von der Verpflichtung zur marktgestützten Beschaffung von Blindleistung.

Die Verteilernetzbetreiber, welche die Netzebene Hochspannung betreiben, wurden daher zusätzlich zur erwarteten Entwicklung des marktlich zu beschaffenden Blindleistungsbedarfs befragt. Hier fallen die Antworten der Verteilernetzbetreiber unterschiedlich aus. Der Großteil der Netzbetreiber geht davon aus, dass es zu keinem marktlich zu beschaffenden Blindleistungsbedarf kommen wird. In diesen Fällen wird von einer Deckung durch eigene Betriebsmittel und/oder angeschlossene Erzeugungsanlagen ausgegangen. In der Abfrage 2024 wurde der marktlich zu beschaffende Bedarf an spannungshebender und spannungssenkender Blindleistung für die Jahre 2028, 2033 und 2045 abgefragt. Ob und in welcher Höhe der Bedarf erwartet wird, kann sich je nach Betrachtungshorizont und Art des Blindleistungsbedarfes unterscheiden. Die Zahl der bedarfsmeldenden Verteilernetzbetreiber lag je nach Art und Jahr zwischen 10 und 13 von 62 Hochspannungsnetzbetreibern. Hierbei ist auffällig, dass über 90 Prozent des nicht gedeckten Blindleistungsbedarfs für Netzgebiete mit überwiegend ländlicher Struktur prognostiziert wurden.

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